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Kieler Kernforschung

Eine internationale Expedition hat Bohrkerne aus dem Meeresboden des Golfs von Korinth gezogen. Zwei junge Wissenschaftlerinnen der CAU beteiligen sich an der Auswertung. Ihnen bieten sich Einblicke in die Klima- und Landschaftsgeschichte der Region.

Eine Frau und eine Maschine.
© GSHDL

Joana Seguin bestückt den Röntgenfluoreszenzscanner mit einem Stück Bohrkern, um dessen chemische Zusammensetzung zu analysieren und daraus Rückschlüsse auf die Klimageschichte zu ziehen.

Die Sedimentablagerungen in Seen und Meeren sind Archive besonderer Art. Wer sie „lesen“ kann, dem verraten sie, ob es in der Umgebung der Gewässer vor Tausenden von Jahren eher trocken oder nass, warm oder kalt, waldig oder grasig war und ob die Gewässer überhaupt schon existierten. Der Golf von Korinth ist besonders interessant, denn er befindet sich in einem der seismisch aktivsten Gebiete Europas: Durch Plattenverschiebungen wächst er um etwa 15 Millimeter pro Jahr, was sich auch in seinen Sedimenten widerspiegelt.

Diese tektonische Grabenbildung, aber auch andere Prozesse wie Klima- und Landschaftsentwicklung sind es, für die sich die Mitglieder der Expedition »Corinth Active Rift Development« des Internationalen Ozean-Entdeckungsprogramms IODP interessieren. Im Rahmen des Europäischen Meeresforschungs-Bohrkonsortiums ECORD war das Spezialschiff »Fugro Synergy« Ende 2017 im Golf von Korinth im Einsatz und zog an drei verschiedenen Stellen Bohrkerne aus bis zu 750 Metern Tiefe aus dem Meeresboden. Die Kieler Doktorandinnen Aslı Oflaz und Joana Seguin haben sich erfolgreich um die Teilnahme am Auswerten der Kerne beworben. So waren sie als Angehörige eines internationalen Teams in Bremen dabei, als die Kerne geöffnet wurden.

»Andere Teilnehmer kamen extra aus Australien oder den USA, wir hatten also eine vergleichsweise kurze Anreise«, erklärt Joana Seguin. Die Geografin schreibt ihre Doktorarbeit im Sonder­forschungs­bereich 1266 »TransformationsDimensionen« und ist ebenso wie die Geo-Ingenieurin Aslı Oflaz Mitglied der Graduiertenschule Human Development in Landscapes. »Bei der sogenannten Onshore Science Party in Bremen haben wir aber nicht gefeiert, sondern den gesamten Februar im Zweischichtbetrieb an den Kernen gearbeitet«, berichtet Oflaz. Die etwa drei Meter langen und sechs Zentimeter dicken Teilstücke der Bohrkerne wurden zunächst längs halbiert. Eine Hälfte wanderte für spätere Vergleichsproben ins Archiv, die andere durfte für die Untersuchungen »geschlachtet« werden, wie es im Wissenschafts-Jargon heißt.


»Je mehr unterschiedliche Methoden zu der gleichen Erkenntnis führen, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Ergebnis stimmt.«


So machte sich Aslı Oflaz im chronologisch geschichteten Sediment auf die Suche nach Spuren von Foraminiferen. Das sind einzellige Wasserlebewesen, deren Kalkschale sich über Millionen von Jahren erhalten kann. „War das Wasser in ihrer Umgebung kalt, dann weisen die Foraminiferen-Schalen ein anderes Verhältnis verschiedener Sauerstoff-Isotope auf als bei wärmeren Temperaturen“, erläutert die Geowissenschaftlerin.

In ihrer Doktorarbeit rekonstruiert sie für verschiedene Regionen des östlichen Mittelmeerraums die Klimageschichte des Holozäns, also des aktuellen Zeitabschnitts der Erdgeschichte seit dem Ende der Eiszeit vor etwa 11.700 Jahren. »Insbesondere nehme ich das Auftreten und Ausmaß von Trockenphasen im Mittel- und Spätholozän in den Blick sowie deren Auswirkungen auf Vegetation und menschliche Gesellschaften«, sagt Oflaz. »Toll ist, dass wir als Mitglieder der Onshore Science Party auch schon die Daten der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzen dürfen, bevor diese in einem Jahr der gesamten Wissenschaft zur Verfügung stehen.«

Joana Seguin interessiert sich vor allem für Aspekte des Klimawandels in Griechenland im späten Holozän. Um Veränderungen in einem größeren Gebiet nachspüren zu können, untersucht sie neben den Bohrkernen aus dem Golf von Korinth auch Kerne aus umliegenden Seen. Seguin konzentriert sich für ihre Doktorarbeit auf Analysen mittels Röntgenfluoreszenzscanner, die Auskunft über die chemische Zusammensetzung der Bohrkerne geben. So lassen schwankende Mangan- und Eisenkonzentrationen auf Veränderungen im pH-Gehalt des Wassers schließen, was wiederum als Anzeiger für eher trockene oder eher feuchte Phasen im Einzugsgebiet des untersuchten Gewässers dienen kann. Während der Kernbeprobung in Bremen war Joana Seguin auch als organische Geochemikerin im Einsatz, um neben dem Festmaterial der Bohrkerne auch das Porenwasser zwischen den einzelnen Sedimentpartikeln genauer unter die Lupe zu nehmen. »Je mehr unterschiedliche Methoden zu der gleichen Erkenntnis führen, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Ergebnis stimmt«, sagt Seguin.

Autor: Jirka Niklas Menke

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